Arabische Comiscs und Grafic Novels

1.   Kurze Einleitung

2.   Die Anfänge der arabischen Comics

3.   Die Entwicklungen in den 1950er Jahren

4.   Die 1970er und 1980er Jahre: Superhelden und Science-Fiction

5.   Die 1990er und 2000er Jahre

6.   Bis heute …

7.   Entwicklungstendenzen der arabischen Comicszene, verursacht durch die Jasmin-Revolution
7.1 Allgemeine Entwicklungstendenzen
7.2 Besondere Betrachtung von Ägypten

8.   Einige ausgewählte arabische Comics

9.   Ergänzende Literatur

 

1. Kurze Einleitung

Die Geschichte der arabischen Comics reicht bis in die 1930er Jahre zurück. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Comics in der arabischen Welt zu einem wichtigen Medium entwickelt und sind heute bei einem breiten Publikum beliebt. In diesem Artikel werden wir die Entwicklung der arabischen Comics von ihren Anfängen bis zur Gegenwart betrachten.

2. Die Anfänge der arabischen Comics

Die ersten arabischen Comics wurden in den 1930er Jahren in Ägypten und Syrien veröffentlicht. Der ägyptische Zeichner Mohamed Shawky Al-Minyawi gilt als einer der Pioniere der arabischen Comics. Seine Zeichnungen und Geschichten wurden in den 1930er Jahren in der ägyptischen Zeitschrift „Al-Kawkab“ veröffentlicht. In den 1940er Jahren wurde Al-Minyawi von einem anderen ägyptischen Künstler namens Salah Jahin ersetzt, der als einer der einflussreichsten Zeichner und Autoren in der Geschichte der arabischen Comics gilt.

In Syrien wurde der Comic ebenfalls in den 1930er Jahren populär. Der syrische Künstler Naji al-Ali zeichnete in den 1960er Jahren eine Comicserie namens „Handala“, die in der arabischen Welt sehr bekannt wurde. Die Figur Handala ist ein Straßenkind mit einem großen Kopf und großen Füßen. Die Serie war bekannt für ihre politischen Kommentare und Kritik an der Regierung. Noch heute findet die Figur Eingang gegen den palästinensischen Protest gegen Israel.

                        

(siehe auch https://oweis.wordpress.com/article/handala-and-the-cartoons-of-naji-al-ali-12e7isujug54e-5/)

3. Die Entwicklungen in den 1950er Jahren

In den 1950er Jahren entwickelte sich der Comic in der arabischen Welt weiter. Der libanesische Künstler Samir Barakat wurde bekannt für seine Arbeit an der Comicserie „Sitt Al-Bayt“ („Lady of the House“). Die Serie handelte von einer libanesischen Frau und ihrer Familie und war bei einem breiten Publikum beliebt.

Auch in Ägypten wurden neue Comics veröffentlicht. Der Künstler Mohamed Abdel Aziz zeichnete eine Comicserie namens „Hassan and Ramzy“. Die Serie handelte von zwei Freunden, die Abenteuer in Ägypten und anderen Teilen der Welt erlebten.

Die 1960er Jahre und politische Comics

In den 1960er Jahren nahmen politische Comics in der arabischen Welt an Bedeutung zu. Die Figur Handala des syrischen Künstlers Naji al-Ali wurde zu einem Symbol des Widerstands gegen die israelische Besatzung in Palästina siehe Pkt. 2). Der palästinensische Künstler Mustafa Khalifa veröffentlichte eine Comicserie namens „The Oil War“ („Der Ölkrieg“), die die Auswirkungen des Ölbooms in der arabischen Welt thematisierte.

Auch in Ägypten wurden politische Comics populär. Der Künstler Mohamed El-Saidi veröffentlichte eine Comicserie namens „El-Sitt“. Die Serie handelte von einer ägyptischen Frau, die gegen die britische Besatzung kämpfte.

4. Die 1970er und 1980er Jahre: Superhelden und Science-Fiction

In den 1970er und 1980er Jahren erlebten die arabischen Comics, insbesondere in Ägypten und Syrien, einen Aufschwung und es entstand eine Blütezeit der arabischen Comic-Kultur, auch bekannt als „Bandes dessinées“ oder „Al-Komiks“. Diese Comics wurden oft in arabischer Sprache veröffentlicht und beinhalteten eine Vielzahl von Genres, darunter Abenteuer, Science-Fiction, Historisches und Fantasy.

Einige der bekanntesten Comic-Künstler in dieser Zeit waren beispielsweise Mohamed Salah El-Din, der mit seiner Serie „Al-Fares Al-Saghir“ (Der kleine Ritter) große Beliebtheit erlangte, sowie Ali Al-Sayed, der durch seine humorvolle Serie „Fares Al-Shaitan“ (Der Teufelsreiter) bekannt wurde. Ein weiterer bekannter Comic-Künstler war Mustafa Hussein, der in Syrien als „der Vater des arabischen Comics“ bekannt ist und viele erfolgreiche Serien wie „Al-Dunya Al-Thalatha“ (Die drei Welten) und „Al-Tariq“ (Der Weg) geschaffen hat.

Die Comics wurden oft in wöchentlichen oder monatlichen Magazinen veröffentlicht und erreichten ein breites Publikum im Nahen Osten. Allerdings gab es auch einige Kontroversen um bestimmte Comics, die als zu gewagt oder politisch kontrovers angesehen wurden und deshalb zensiert wurden.

Trotz der Schwierigkeiten der Zeit wurde die arabische Comic-Szene in den 1970er und 1980er Jahren zu einer wichtigen Stimme in der arabischen Kultur und trug zur Unterhaltung und Bildung der Leser bei. Viele der Comic-Künstler aus dieser Zeit sind heute immer noch sehr bekannt und ihre Werke werden von neuen Generationen von Lesern geschätzt.

5. Die 1990er und 2000er Jahre

Die Geschichte der arabischen Comics in den 1990er und 2000er Jahren war von einer wachsenden Popularität und einer zunehmenden Diversität geprägt. In diesen Jahren entstanden viele neue Comic-Bücher und Magazine, die sich an verschiedene Zielgruppen und Altersgruppen richteten.

Ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der arabischen Comics in den 1990er und 2000er Jahren war die Gründung des „Magazine des BD“ im Jahr 1990 in Marokko. Das Magazin förderte die Arbeit junger Künstler und Autoren und veröffentlichte Comics, die sich mit Themen wie Politik, Gesellschaft und Kultur auseinandersetzten. Das Magazin hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der Comic-Szene in der Region.

In den späten 1990er Jahren begannen arabische Comic-Autoren und -Künstler, Comics zu veröffentlichen, die sich auf die Identität und die Erfahrungen der arabischen Jugend konzentrierten. Diese Comics zeichneten sich durch ihren realistischen Stil und die Verwendung von arabischen Dialekten aus. Ein Beispiel dafür ist „Samir“, eine Serie von Graphic Novels, die vom libanesischen Autor und Künstler Zeina Abirached geschrieben und gezeichnet wurden.

Eine weitere wichtige Entwicklung in der arabischen Comic-Szene war die Veröffentlichung von Comics, die sich mit politischen und sozialen Themen auseinandersetzten. Ein Beispiel dafür ist „Maghrib“ von Yasmine Taan, das sich mit Themen wie Korruption und Unterdrückung im Maghreb beschäftigt.

In den 2000er Jahren erlebten die arabischen Comics einen weiteren Schub, als der französische Verlag Casterman begann, Comics arabischer Autoren und Künstler zu veröffentlichen. Diese Comics wurden auch in Europa und anderen Teilen der Welt bekannt und halfen, die arabischen Comics einem größeren Publikum zugänglich zu machen.

Insgesamt war die Entwicklung der arabischen Comics in den 1990er und 2000er Jahren von einer zunehmenden Vielfalt und Reife geprägt. Die Comics wurden zunehmend als ein wichtiges Medium für die kulturelle und politische Auseinandersetzung in der arabischen Welt betrachtet.

6. Bis heute …

In den 2000er Jahren und bis heute setzte sich der Trend zur Diversifizierung der arabischen Comics fort. Es entstanden immer mehr Comics, die sich mit unterschiedlichen Themen, Zielgruppen und Genres beschäftigten.

Eine wichtige Entwicklung in der arabischen Comic-Szene war die Verbreitung des Internets, was es den Künstlern und Autoren ermöglichte, ihre Comics einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Viele arabische Comics wurden auf Online-Plattformen veröffentlicht und erreichten so ein internationales Publikum.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Entwicklung der arabischen Comics in den 2000er Jahren war die Gründung von Comic-Festivals und -Messen in der Region. Diese Veranstaltungen boten den Künstlern und Autoren eine Plattform, um ihre Werke zu präsentieren und sich mit anderen Künstlern auszutauschen. Ein Beispiel dafür ist das „Cairo Comix Festival“, das seit 2015 jährlich stattfindet und zu einem der wichtigsten Comic-Festivals in der arabischen Welt geworden ist.

In den letzten Jahren gab es auch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen arabischen und ausländischen Comic-Verlagen. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit zwischen dem französischen Verlag Delcourt und dem ägyptischen Verlag „Al-Shorouk“, die zur Veröffentlichung von „The Arab of the Future“ des französischen Comic-Autors und -Künstlers Riad Sattouf führte. Das Buch erzählt die Geschichte von Sattoufs Kindheit in Libyen, Syrien und Frankreich und wurde zu einem internationalen Bestseller.

Ein weiterer Trend in der arabischen Comic-Szene ist die Veröffentlichung von Comics, die sich mit sozialen und politischen Themen auseinandersetzen. Ein Beispiel dafür ist „Basma“, ein Comic, der sich mit der syrischen Flüchtlingskrise und den Erfahrungen syrischer Flüchtlinge in Ägypten beschäftigt.

Insgesamt hat sich die arabische Comic-Szene in den letzten Jahren zu einer vielfältigen und lebendigen Szene entwickelt. Die Comics sind ein wichtiges Medium für die Auseinandersetzung mit kulturellen, politischen und sozialen Themen in der Region geworden und haben auch international Aufmerksamkeit erregt.

7. Entwicklungstendenzen der arabischen Comicszene, verursacht durch die Jasmin-Revolution
7.1 Allgemeine Entwicklungstendenzen

Die Jasmin-Revolution, auch bekannt als die tunesische Revolution von 2010-2011, hatte auch Auswirkungen auf die arabische Comic-Szene. Die Revolution und der damit verbundene politische Wandel führten zu einem verstärkten Interesse an politischen Themen und zu einer größeren Freiheit der Meinungsäußerung in der Region.

Viele arabische Comic-Autoren und -Künstler begannen, Comics zu veröffentlichen, die sich mit den Auswirkungen der Revolution auf die arabische Gesellschaft auseinandersetzten. Ein Beispiel dafür ist „The Apartment in Bab El Louk“ von Donia Maher, eine Graphic Novel, die die Erfahrungen junger Menschen während der Revolution und in der Zeit danach schildert.

Ein weiterer wichtiger Faktor war die Rolle der sozialen Medien bei der Verbreitung von Comics und anderen künstlerischen Ausdrucksformen während der Revolution. Viele Comics wurden auf Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter veröffentlicht und erreichten so ein breites Publikum.

Die Jasmin-Revolution und die politischen Veränderungen in der Region führten auch zu einem verstärkten Interesse an der arabischen Comic-Szene seitens ausländischer Verlage und Publikationen. Viele arabische Comics wurden ins Englische und andere Sprachen übersetzt und erlangten so internationale Bekanntheit.

Insgesamt hatte die Jasmin-Revolution Auswirkungen auf die arabische Comic-Szene, indem sie zu einem verstärkten Interesse an politischen und gesellschaftlichen Themen führte und zu einer größeren Freiheit der Meinungsäußerung beitrug. Die Comics wurden zu einem wichtigen Medium für die kulturelle und politische Auseinandersetzung in der Region und haben auch international Anerkennung gefunden.

7.2 Besondere Betrachtung von Ägypten
Die ägyptische Revolution von 2011 hatte einen großen Einfluss auf die Comicszene in Ägypten. Vor der Revolution war die Szene von Zensur und Einschränkungen durch die Regierung geprägt. Künstler mussten ihre Werke oft selbst zensieren, um Repressalien zu vermeiden.

Nach der Revolution änderte sich das jedoch. Es gab eine neue Freiheit der Meinungsäußerung und viele Künstler nutzen diese Chance, um politische Themen in ihren Comics anzusprechen. Es entstanden neue unabhängige Verlage und Plattformen, auf denen Künstler ihre Werke veröffentlichen konnten, ohne Zensur befürchten zu müssen.

Ein Beispiel dafür ist die Comic-Serie „Metro“ von Magdy El Shafee, die kurz vor der Revolution veröffentlicht wurde und aufgrund ihrer kritischen Inhalte von der Regierung verboten wurde. Nach der Revolution konnte sie jedoch frei veröffentlicht werden und erhielt internationale Anerkennung.

Auch die Rolle von Frauen in der Comicszene hat sich seit der Revolution verändert. Frauen waren vorher oft marginalisiert und hatten Schwierigkeiten, ihre Werke zu veröffentlichen. Nach der Revolution wurden jedoch mehr Plattformen und Möglichkeiten geschaffen, die es Frauen erleichterten, ihre Stimme in der Comicszene zu Gehör zu bringen.

Insgesamt hat die ägyptische Revolution dazu beigetragen, dass die Comicszene in Ägypten vielfältiger und freier geworden ist. Die Künstler haben nun die Möglichkeit, ihre Meinungen und Ideen in ihren Werken auszudrücken und ein breites Publikum zu erreichen.

8. Einige ausgewählte arabische Comics:

„The 99“ von Naif Al-Mutawa – Verlag: Teshkeel Comics, Kuwait
http://www.al-mutawa.com/articles/islam-inspired-comic-superheroes-fight-for-peace/

„Metro“ von Magdy El Shafee – Verlag: Madbouli Comics, Ägypten
https://archive.org/details/metrostoryofcair0000shaf

„Al-Mawaheb Al-Ladunniyyah“ von Hassan Musa – Verlag: Dar Al-Madani, Syrien

„The Dreams of Scheherazade“ von Alitha Martinez und Alex Simmons – Verlag: Art of Heritage, USA (erschien auch auf Arabisch)

„Arajin al-Aswad“ von Mohammed El-Masnawi – Verlag: Al-Arabi Publishing and Distribution, Ägypten

 

„The Parable of the Sower“ von Octavia Butler und Damian Duffy – Verlag: Abrams ComicArts, USA (erschien auch auf Arabisch)

„Battikha“ von Mazen Kerbaj – Verlag: Samandal, Libanon

„El Abd Wal Naml“ von Mohamed Fathy El Gebaly – Verlag: Dar al-Kitab al-Arabi, Ägypten

„Samir“ von Tayeb Salih – Verlag: Arab Scientific Publishers, Libanon

„Kane and Abel“ von Abbas Mahmoud Al-Aqqad – Verlag: Dar El-Farouk, Ägypten

„The Adventures of Mr. Obadiah Oldbuck“ von Rodolphe Töpffer – Verlag: Arab Scientific Publishers, Lib

9. Ergänzende Literatur

„Arabic Comic Book Art: Aesthetic and Visionary Practices“ von Nadim Damluji (2015)

„Arab Comics: 90 Years of Popular Visual Culture“ von Nadim Damluji, Joumana Medlej, und Fadi Yazigi (2021)

„Arab Comics: Politics of an Emerging Art Form“ von Elena Sorokina (2019)

„Comic Book Culture in the Arab World“ von Noha Mellor (2013)

„Creating Comics in Egypt: A Study of Cartoonists‘ Perceptions and Practices“ von Jeremy Stoll (2015)

„The Arab World’s New Age of Cartooning“ von Sultan Sooud Al Qassemi (2012)

„Graphic Novels in the Arab World“ von Chaker Boullata (2009)

„Arabic Graphic Design: Past and Present“ von Bahia Shehab (2011)

„The Manga Revolution in the Arab World“ von Marc-Antoine Le Bret (2016)